Wer kennt es nicht: Nach einem langen Tag noch schnell in den Supermarkt – und plötzlich landen Schokoriegel, Chips und Fertigpizza im Einkaufswagen. Was wie eine harmlose Alltagsszene wirkt, hat jetzt eine wissenschaftliche Erklärung: Hunger beeinflusst nicht nur unser Verlangen, sondern auch, wie wir Entscheidungen treffen – und das oft zu unserem Nachteil.
Hunger lenkt unsere Aufmerksamkeit – und zwar weg von der Gesundheit
Eine aktuelle Studie der Universität Hamburg, veröffentlicht in der Fachzeitschrift eLife, zeigt: Wer hungrig ist, greift häufiger und schneller zu ungesunden Lebensmitteln. Die Forscherinnen und Forscher wollten wissen, warum das so ist, und haben dazu nicht nur klassische Verhaltenstests, sondern auch Eye-Tracking-Technologie und computergestützte Entscheidungsmodelle eingesetzt.
Das Ergebnis: Im hungrigen Zustand achten wir deutlich weniger auf Nährwertinformationen wie den Nutri-Score. Stattdessen lassen wir uns vom appetitlichen Aussehen und der geschmacklichen Attraktivität der Produkte leiten. „Unsere Daten zeigen, dass Hunger die Gewichtung von Informationen im Entscheidungsprozess verändert. Geschmack bekommt mehr Gewicht, Gesundheitsaspekte geraten aus dem Blickfeld“, fasst Studienautorin Jennifer March zusammen.
Schneller, impulsiver, ungesünder
Besonders auffällig: Die Wahl ungesunder Lebensmittel erfolgt unter Hunger deutlich schneller – ein Zeichen dafür, dass wir impulsiver und weniger reflektiert entscheiden. „Die Ergebnisse zeigen, dass in hungrigem Zustand gesundheitsbezogene Informationen in den Hintergrund rücken. Ungesunde, aber geschmacklich ansprechende Optionen werden dadurch schneller und bevorzugt gewählt“, erklärt Ernährungspsychologin Julia Schätzer vom vorsorgemedizinischen Institut SIPCAN.
Auch Sebastian Gluth, Professor für Kognitives Modellieren und Entscheidungsneurowissenschaften, betont: „Hunger verändert nicht nur unser Verhalten, sondern auch, wie unser Gehirn Informationen verarbeitet. Wer gesunde Entscheidungen fördern möchte, sollte das Entscheidungsverhalten unter realen Bedingungen – inklusive Hungergefühl – stärker in den Blick nehmen.“
Warum ist das so?
Die Wissenschaftler vermuten, dass unser Gehirn in Hungerphasen auf „Belohnung“ programmiert ist. Geschmack und Kaloriendichte werden wichtiger, weil sie evolutionär als Überlebensvorteil galten. In Zeiten von Überfluss führt dieser Mechanismus jedoch dazu, dass wir uns gerade dann für energiereiche, aber ungesunde Lebensmittel entscheiden, wenn wir es am wenigsten brauchen.
Was hilft gegen den Einkaufs-Falleffekt?
Die Studie macht deutlich: Wer hungrig einkaufen geht, entscheidet impulsiver und ungesünder. Doch es gibt einfache Tricks, um diesem Muster zu entkommen:
- Vor dem Einkauf einen kleinen, ausgewogenen Snack essen.
- Mit einer Einkaufsliste gezielt einkaufen.
- Bewusst auf Nährwertkennzeichnungen achten – am besten, wenn der Magen nicht knurrt.
Denn: „Einfache Maßnahmen wie Nährwertkennzeichnungen allein reichen möglicherweise nicht aus, um gesunde Essensentscheidungen zu fördern – vor allem nicht bei hungrigen Menschen“, so das Fazit der Forschenden.
Fazit
Die nächste Versuchung im Supermarkt kommt bestimmt – aber mit vollem Magen und klarem Plan fällt es leichter, gesunde Entscheidungen zu treffen. Und vielleicht bleibt der Schokoriegel dann tatsächlich mal im Regal.